Fußballstadion hat höchste Priorität
Stadionwelt:
In wenigen Wochen wird der Umbau des
Gottlieb-Daimler-Stadions abgeschlossen sein.
Wie gefällt Ihnen Ihre neue Heimat?
Staudt:
Wir haben optisch ein wunderbares Stadion, mit
einer tollen Haupttribüne und einer sehr guten
Gegengeraden, der EnBW-Tribüne. Auch die
Business-Bereiche sind selbst im Vergleich zu
anderen WM-Stadien außergewöhnlich gut. Das
einzige, womit wir nicht zufrieden sein
können, sind die Kurvenradien. Völlig zu Recht
fordern unsere Fans hier eine Verbesserung des
Zustands.
Stadionwelt:
Aus diesem Grund planen Sie die Umwandlung des
Gottlieb-Daimler-Stadions in eine reine
Fußballarena. Wie sehen diese Pläne genau aus,
und wie wäre es um ihre Finanzierbarkeit
gestellt?
Staudt:
Wir haben ein mit dem Stadion sehr vertrautes
Planungs- und Architekturbüro beauftragt, uns
eine Machbarkeitsstudie zu erstellen und
erwarten schon bald konkrete Ergebnisse. Eine
erste Studie im Oktober hat bereits gezeigt,
dass ein Umbau grundsätzlich möglich wäre, nun
geht es darum, wie unsere Vorhaben umgesetzt
werden könnten: Wie schaffen wir die
gewünschte Kapazität von 50.000 Zuschauern,
was passiert mit dem Dach, wie tief können wir
das Spielfeld absenken? Auch über Kosten und
den zeitlichen Verlauf erhoffen wir uns auf
diesem Wege Klarheit.
Stadionwelt:
Versprechen Sie sich hiervon so große
finanzielle Vorteile, dass sich die Ausgaben
amortisieren können?
Staudt:
Die Stimmung und die Atmosphäre im Stadion
sind für uns kolossal wichtig, schon aus
diesem Grund ist der Umbau ein Muss. Aber
wir sehen am Beispiel anderer Städte, dass die
Schaffung eines reinen Fußballstadions auch
die Zuschauerzahlen nachhaltig um bis zu 50
Prozent steigert. Zudem bieten die Plätze in
den Kurven derzeit eine extrem schlechte Sicht
und lassen sich nur schwer verkaufen.
Letztlich hätten wir zwar etwas weniger, aber
dafür deutlich bessere Plätze. Der
Gesamtkomfort könnte sich ebenso wie das
Konsumangebot deutlich verbessern.
Stadionwelt:
Die Stadt hat mit der Entscheidung für die
Ausrichtung des World Athletics Final den
Erhalt der Laufbahn bis mindestens 2008
zementiert. War der VfB im Vorfeld über diesen
Schritt informiert, und wird dem Verein
allgemein ein Mitspracherecht zugestanden?
Staudt:
Das ganze Vorgehen der Stadt war nicht mit uns
abgestimmt, entsprechend verärgert haben wir
reagiert. Aber wenn man die Situation
realistisch sieht, dann brauchen wir mit all
den Vorplanungen doch einige Zeit. Sofern die
Leichtathletik-Veranstaltungen bis 2008
befristet sind, können wir mit dieser
Situation einigermaßen umgehen.
Stadionwelt:
Einen Baubeginn 2008 halten Sie für
realistisch?
Staudt:
Auf jeden Fall. Am liebsten schon eine halbe
Stunde, nachdem die Leichtathleten draußen
sind.
Stadionwelt:
Es heißt, die Stadt sei grundsätzlich
einverstanden mit dem Umbau nach 2008, wenn
auf sie keine zusätzlichen Kosten zukämen.
Bestehen in diesem Zusammenhang Absprachen
oder Garantien, dass der
Leichtathletik-Vertrag nicht noch einmal
verlängert wird, und dass sich die Stadt auch
nicht aus anderen Gründen einem Verzicht auf
die Laufbahn verweigern wird?
Staudt:
Der Oberbürgermeister, die
Sportbürgermeisterin und der Gemeinderat
kennen unsere Position. Momentan warten wir
alle auf das Ergebnis der Machbarkeitsstudie,
dann können wir über konkrete Dinge reden. Die
Termine mit der Stadt sind quasi schon
vereinbart.
Stadionwelt:
Inwieweit wirken sich eventuelle
Unsicherheiten über die Politik der Stadt auf
den Finanzaufwand der Planungen aus? Werden
die Pläne derzeit eher mit halber Kraft
vorangetrieben? Wie viel Geld und wie viel
Personal investiert der Verein momentan in die
Planungen, und was wäre möglich bzw. nötig,
wenn die Stadt grünes Licht gäbe?
Staudt:
Bei uns im Verein hat das Thema Fußballstadion
höchste Priorität. Wir haben deshalb auch
schon für die Vorplanungsphase richtig Geld in
die Hand genommen und treiben das Projekt mit
Vollgas voran. Einige unserer besten
Mitarbeiter arbeiten praktisch rund um die Uhr
nur für dieses Ziel. Insofern ist eine
Steigerung unseres Aufwands kaum noch möglich.
Stadionwelt:
Inwiefern haben Sie Verständnis für die
Position der Laufbahn-Befürworter? Sehen Sie
Möglichkeiten einer gütlichen Einigung, die
allen Interessen gerecht wird?
Staudt: Im
Falle des Gottlieb-Daimler-Stadions habe ich
kein Verständnis. Ich weiß natürlich, dass in
Stuttgart adäquate Trainings- und
Wettkampstätten zur Verfügung stehen müssen.
Aber ich sehe überhaupt keine Veranlassung,
hierfür ein 50.000 Zuschauer fassendes Stadion
vorzuhalten, vor allem nicht für ein
Leichtathletikevent, das von vorneherein immer
defizitär sein wird. Und Welt- oder
Europameisterschaften werden höchstens alle 20
Jahre mal in Stuttgart stattfinden.
Stadionwelt:
Denkt der Verein auch über einen Umzug an
einen anderen Standort nach?
Staudt:
Wenn wir das Gottlieb-Daimler-Stadion nicht
umbauen können, müssen wir über Alternativen
nachdenken.
Stadionwelt:
Gibt es Gespräche mit DaimlerChrysler über
eine Neuregelung in Sachen Namensrecht? Die
derzeitige Regelung entspricht ja nicht gerade
dem Marktwert.
Staudt:
DaimlerChrysler und der VfB sind gute
Nachbarn, wir werden jede Möglichkeit für
einen Dialog nutzen. Wir reden sehr offen
miteinander.
Stadionwelt:
Denken Sie, dass sich einige Entscheidungen
der letzten 15 Jahre, beispielsweise der
aufwändige Ausbau der Haupttribüne, im
Nachhinein als falsch erwiesen haben?
Staudt:
Das Stadion hat sich nun einmal historisch so
entwickelt. Sicherlich hätte man mit all dem
Geld auch ein komplett neues Stadion bauen
können, aber aus Sicht der jeweiligen Zeit
waren die Entscheidungen immer
nachvollziehbar. Das Stadion ist ja auch - wie
ich schon eingangs sagte - alles andere als
schlecht. Das einzige, was wir korrigieren
müssen, sind die Kurven. Daran arbeitet der
VfB.
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